Die norwegische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat siebzehn Sonnencremes – unter anderem bezüglich ihrer deklarierten Schutzleistung – bei Eurofins testen lassen und die Ergebnisse kürzlich veröffentlicht. Jene Schutzwerte wurden auf Grundlage international anerkannter Testmethoden (ISO 24444 und ISO 24443) bestimmt. Während die meisten Sonnenschutzmittel ihren Versprechen gerecht wurden, haben ein paar Kandidaten den deklarierten Schutz stark unterschritten.
Sonnenschutztest: die Ergebnisse
Sonnencreme | SPF laut Verpackung | SPF laut Labor (Bereichsmitte) | niedrigster SPF | höchster SPF | UVA-PF laut Labor | Hinweise | Chargennummer |
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Nivea Sun Kids sensitive Sonnenspray SPF 50+ | 50+ (mindestens 60) | 49,1 | 46,1 | 52,1 | 21,8 | Abweichung wurde von der Behörde als akzeptabel eingestuft, weil die Marke ihr Testprotokoll vorgelegt hat. | 31348574 |
Garnier Ambre Solaire Kids Sensitive Expert Sonnenschutz-Spray SPF 50+ | 50+ (mindestens 60) | 79,2 | 74,1 | 84,3 | 28,4 | 28W000 | |
Dermica Sonnencreme für den Körper SPF 30 | 30 | 23,5 | 21,2 | 25,8 | 15,6 | Abweichung wurde von der Behörde als akzeptabel eingestuft, weil die Marke ihr Testprotokoll vorgelegt hat. | 2328201 |
Cosmica Sun Lotion SPF 30 | 30 | 22,5 | 20,8 | 24,2 | 14,5 | Abweichung wurde von der Behörde als akzeptabel eingestuft, weil die Marke ihr Testprotokoll vorgelegt hat. | CF3W1 |
Derma Kids Sun Lotion SPF 30 | 30 | 28,9 | 26,8 | 31 | 20,3 | 2308014 | |
Wooden Spoon Sunscreen Lotion Baby & Family SPF 50 | 50 | 27,8 | 25,9 | 29,7 | 13,6 | Restprodukte wurden aus dem Verkauf genommen. Händler wurden über Diskrepanz informiert. | L23 BB06.25 |
Ecooking Sunscreen Body SPF 30 | 30 | 31,9 | 30,1 | 33,7 | 18 | 61100 | |
Korres Coconut & Almond Baby Sonnencreme SPF 50 | 50 | 54,5 | 51,9 | 57,1 | 23,2 | 5242034 | |
Suntique I'm Aqua Sun Essence SPF 50+ | 50+ (mindestens 60) | 14,5 | 13,6 | 15,4 | 12,5 | Händler und Importeur erhielten Hinweise zu den Unstimmigkeiten. Verkauf des Produkts wurde eingestellt. | 2C085D |
Malibu Sun Lotion SPF 50 | 50 | 80,7 | 75,6 | 85,8 | 26,2 | 6034 | |
Avène Sun Spray Kids SPF 50+ | 50+ (mindestens 60) | 107,5 | 102 | 113 | 48 | 3A2TL, 03/23 | |
Nivea Sun sensitive immediate protect Sonnenspray SPF 30 | 30 | 31,4 | 29,3 | 33,5 | 13,7 | 30932574 | |
Australian Gold Kids sensitive Sun Protection SPF 50 | 50 | 19,2 | 18,2 | 20,2 | 13,8 | Das Produkt mit entsprechender Chargennummer war beim Händler nicht mehr verfügbar. | 00980 |
EVY Technoloy Sunscreen Mousse SPF 50 | 50 | 18,6 | 17,6 | 19,6 | 15,5 | Keine zufriedenstellende Rückmeldung seitens der Marke um die Abweichung als akzeptabel einstufen zu können. Verkauf der Charge wurde in Norwegen eingestellt. | 9848803 |
In der Tabelle sind nicht alle getesteten Sonnenschutzmittel aufgelistet, da manche nur in Norwegen erhältlich sind. Hier könnt ihr den vollständigen Test herunterladen. Mir ist im Nachhinein beim Überprüfen der Zahlen in der tabellarischen Übersicht aufgefallen dass nicht der Mittelwert aus allen ermittelten Werten gebildet wurde, sondern anscheinend nur aus dem niedrigsten und höchsten Wert (Bereichsmitte/Midrange). Das heißt bei allen Sonnencremes wurde der höchste SPF-Wert mit dem niedrigsten Wert addiert und durch zwei geteilt. Warum das gemacht wurde, wird von der Behörde nicht genauer erläutert. Ich habe es in meiner Tabelle angepasst. Der Midrange ist anfällig für Ausreißer aber ermöglicht einen schnellen Überblick. Ohne Angabe des niedrigsten und höchsten Werts hätte er nicht viel Aussagekraft.
Was heißt das jetzt genau?
Die meisten untersuchten Sonnenschutzmittel werden ihren Schutzversprechen gerecht. Allerdings zeigt dieser Test auch, dass behördlich initiierte Untersuchungen extrem wichtig sind – vor allem für den Verbraucherschutz. Gewisse Abweichungen sind zwar normal und wurden auch von der Behörde als akzeptabel eingestuft aber zu große Diskrepanzen stellen ein Problem dar. Betroffene Chargen mit starken Abweichungen wurden in Norwegen vom Markt genommen.
Wie sich diese Ergebnisse auf andere Vertriebsgebiete auswirken und welche Konsequenzen die Marken ziehen, ist schwer zu beurteilen. Denn bisher hat nur EVY ein Statement dazu abgegeben. Suntique oder aber Australian Gold haben sich bisher nicht öffentlich dazu geäußert. Für mich persönlich ist das mal wieder ein guter Reminder neben Sonnencreme weitere Schutzmaßnahmen zu ergreifen z. B. mittels Kleidung, Schatten aufsuchen & Co. Außerdem fühle ich mich darin bestärkt weiterhin auf die korrekte Auftragsmenge zu achten welche den meisten „zu viel“ erscheint. Denn zu geringe Auftragsmengen reduzieren den Schutz und wenn dieser von vornherein nicht stimmt, ist das natürlich totaler Mist.
Das Statement von EVY Technology
Ich habe das Sun Mousse von EVY selbst eine Zeit lang benutzt und war sichtlich überrascht zu welchem Ergebnis die norwegische Behörde gekommen ist. Denn ein ermittelter Sonnenschutzfaktor von 18,6 zum deklarierten SPF 50 zeigt eine Diskrepanz auf, die alles andere als vernachlässigbar ist. Das hätte meiner Meinung nach EVYs Chance sein können die eigenen Testresultate mittels offener Kommunikation zu untermauern. So wie es viele Marken nach negativen Bewertungen der Stiftung Warentest machen (Beispiel 1, Beispiel 2) – auch wenn ich die Testergebnisse von Stiftung Warentest weniger aussagekräftig finde. Warum das so ist, könnt ihr hier nachlesen.
Die Behörde hat eigene Tests durchgeführt, ohne uns zu konsultieren. EVY Technology Statement (übersetzt)
Dass EVY einwendet die Behörde hätte sie nicht konsultiert, ist für mich nur bedingt nachvollziehbar. Vorher allen Marken zu sagen dass ihre Produkte getestet werden, mindert aus meiner Sicht die Unabhängigkeit der Behörde und hätte vielleicht im schlimmsten Fall zu einer Beeinflussung von Außen führen können.
Norwegen, das kein EU-Mitglied ist, scheint seine eigenen Vorschriften zu haben und kann entscheiden, die Dinge auf seine eigene Weise zu erledigen, ohne unseren Bericht zu berücksichtigen. EVY Technology Statement (übersetzt)
Es stimmt auch nicht hundertprozentig, dass Norwegen – nur weil’s nicht Teil der EU ist – Dinge komplett anders handhabt. Denn Norwegen orientiert sich was kosmetische Mittel angeht an den EU-Richtlinien. Das wird auch im Dokument zum Sonnenschutzmitteltest recht deutlich da sich zum einen auf anerkannte Testmethoden sowie Kennzeichnungsempfehlungen bezogen wird (siehe Seite 5 – Seite 7). Warum der Bericht von EVY nicht berücksichtigt wurde, ist auch wieder reine Spekulation da uns dieser nicht vorliegt.
Ich bleibe vorerst skeptisch
Das Statement von EVY ist für mich persönlich nur bedingt nachvollziehbar. Es wird zwar von mehreren durchgeführten Tests gesprochen aber keiner dieser Tests transparent geteilt. Somit habe ich keinerlei Chance deren Aussagen einzuordnen. Auch die Verlinkungen zu Vergleichs-, Review- und Bewertungsseiten sind kein Ersatz für mögliche Testprotokolle. Besonders schade ist, dass ich als Kundin gezwungen bin das im Statement angehängte PDF der Swedish Health Agency (Schwedische Arzneimittelbehörde) mittels Google Translate ins Englische übersetzen zu müssen (hier downloaden) obwohl EVY ein international tätiges Unternehmen ist. Darin ist unter anderem ersichtlich, dass EVY die eigenen Produkte im CPNP-Portal angemeldet, entsprechende Dokumente sowie Sicherheitsberichte hochgeladen hat. Aber das müssen alle Kosmetikanbieter tun die innerhalb der EU agieren. Das heißt nicht, dass die darin dokumentierten Tests von irgendeiner Behörde oder einem Labor nochmals durchgeführt werden.
Auch die Tatsache, dass Proben seitens EVY für die Swedish Health Agency bereitgestellt wurden, wirft in mir Fragen auf. Was ist mit den Proben passiert? Wurden diese hinsichtlich ihrer Schutzleistung getestet oder ging’s um eine Prüfung hinsichtlich der Stabilität? Hierzu werden keine Angaben gemacht. Die Schwedische Arzneimittelbehörde hatte zwar nichts zu beanstanden, aber es wird auch angemerkt dass die Ergebnisse der im Rahmen des Projekts durchgeführten Überwachung in einem Bericht veröffentlicht werden. Wahrscheinlich nach 2024? Und da ich nicht weiß was genau getestet wurde, ist dieser einzelne Schriebs schwer einzuschätzen.
Fehler passieren
Könnte es sein, dass das durch die norwegische Behörde beauftragte Labor einen Fehler gemacht hat? Durchaus. Denn Fehler sind menschlich. Allerdings gilt das auch für die andere Seite. Genauso können Probleme im Qualitätsmanagement existieren. Natürlich ist es immer besser Produkte – egal ob Behörde oder Marke – in mehreren Laboren testen zu lassen um ein möglichst realitätsnahes Ergebnis zu erhalten. Jedoch sind vor allem Sonnenschutztests wahnsinnig teuer. Würde man beispielsweise allein drei Labore beauftragen um den SPF zu ermitteln, würden die Kosten mindestens im fünfstelligen Bereich liegen.
Der Fall AMA Labs zeigt zudem, dass hinter solchen Tests auch betrügerische Absichten stecken können. Hier wurden Testresultate für Sonnencremes und andere Produkte jahrelang gefälscht. Der CEO wurde zu 60 Monaten Gefängnis verurteilt.
Deshalb hätte ich als Kundin zumindest gern erfahren in welchem Labor EVY seine Sonnenschutzmittel hat testen lassen. So wäre es nämlich ein Leichtes gewesen wenigstens vorhandene Akkreditierungen und Ähnliches online zu überprüfen.
Wir beraten uns mit Anwälten um Berufung einzulegen, überprüfen aber auch unsere Formulierungen und Tests. EVY Technology Statement (übersetzt)
EVY hat angekündigt Anwälte zu konsultieren und ihre Formulierungen bzw. Test zu überprüfen. Von daher bin ich gespannt wie sich das Ganze entwickelt. Sollte sich etwas Neues ergeben, werde ich den Beitrag aktualisieren.